Die Memoiren der weltberühmten Sozialwissenschaftlerin Professor Nermin Abadan-Unat erlauben den Lesern sowohl einen Einblick in den Werdegang einer emanzipierten Frau und Wissenschaftlerin in der Türkei, als auch den Einblick in die Entstehungsjahre der Türkischen Republik, als das Land seinen Weg aus rückständigen und sehr schwierigen Verhältnissen in eine moderne, demokratische und aufgeklärte Gesellschaft angetreten hatte – wie die Autorin selbst sagt, wie Phönix aus der Asche. Durch die menschliche Dimension - den Erlebnissen einer jungen Frau, die trotz ihrer deutschen Herkunft, sich für die Türkei als Heimat entschieden hatte - werden sowohl ihre persönlichen Beweggründe als auch die politischen Hintergründe nachvollziehbar. So leistet die Autorin einen sehr wichtigen Beitrag im Prozess des Kennenlernens eines Landes, das sich Europa zugehörig fühlt.
LESEPROBE: Warum schreibt jemand seine Memoiren? Ein solches Unterfangen kann viele Gründe haben: man kann Zeuge historischer Ereignisse sein, einen früh verlorenen nahen Verwandten den Kindern bekannt machen, ein auf eigenständigen Prinzipen basierendes Persönlichkeitsmodell darlegen, die Sehnsüchte und Wünsche, Werte und Hoffnungen einer Ära dokumentieren oder aber einen harten Kampf ums Überleben schildern.
Mich selbst haben eine Reihe Umstände dazu veranlasst, meine Erinnerungen niederzuschreiben. Der wichtigste Grund war, meinem Sohn, der wie ich, seinen Vater schon im zehnten Lebensjahr verloren hatte, von seinem Vater zu berichten, den Familiennamen, den er trägt, mit Sinn zu füllen und ihm die Verantwortung, zu der dieser Name verpflichtet, nahe zu bringen. Der zweite Grund war, aufzuzeigen, warum ich das Land, auf dessen Boden ich zwar nicht geboren wurde, doch welches das Heimatland meines Vaters war, als meine eigene Heimat mir ausgesucht hatte. Schließlich, um von meiner Identitätssuche als intellektuelle Frau zu berichten.
Natürlich gibt es im Leben unzählige, unerwartete und geheimnisvolle Momente. Mir hat das Leben die Möglichkeit eingeräumt, mein Land und meine Sprache, meine Identität als Staatsbürgerin selbst zu wählen. Als ich in sehr jungen Jahren meine diesbezügliche Entscheidung traf, hatten mich weniger die Umstände als vielmehr meine Ideale und Hoffnungen, die ich mir in meiner Vorstellung ausgemalt hatte, genährt. Laut Psychologen ist das Alter um die Fünfzehn jene Phase, in der die Persönlichkeit ihre „formative Entfaltung“ erfährt. Ich hatte in diesem Alter mit meiner Mutter und einer älteren Schwester in Budapest gelebt. Meine wichtigste Sprache war damals Deutsch, daneben sprach ich Französisch, Englisch und Ungarisch. Die Jahre meiner früheren Kindheit, die ich in Istanbul verbracht hatte, die Spuren meiner Erinnerungen und meiner Beobachtungen hatten in meinem Bewusstsein ein Bild der Türkei geprägt. Die Türkei, die ich mir unter diesen Umständen ausgemalt hatte, war jenes Land, das in der damaligen ausländischen Presse in Artikeln unter Titeln wie „Die Neue Türkei“, „Die wieder auferstehende Türkei“ oder „Die von Atatürk erschaffene Türkei“ geschildert wurde. Wer die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen nicht erlebt hatte, weiß nicht, warum sich die damalige Türkei, die sich aus den Kulturen Europas wie ein Phönix aus der Asche auferstanden war, so stark von ihrer heutigen Gestalt unterschied. Die Türkei hatte damals eine Reihe ihr aufgenötigte internationale Verträge zurückgewiesen, statt dessen leistete sie Widerstand, sogar um den Preis ihrer Unabhängigkeit, riss den Vorhang mittelalterlicher Rückständigkeit auf und setzte als einziges Land eine ganze Reihe radikaler Reformen erfolgreich durch. Tatsächlich, warum hatte man damals die Türkei nur so voller Sehnsucht und Begehr, aber auch voller Neid beobachtet?
Die Memoiren der weltberühmten Sozialwissenschaftlerin Professor Nermin Abadan-Unat erlauben den Lesern sowohl einen Einblick in den Werdegang einer emanzipierten Frau und Wissenschaftlerin in der Türkei, als auch den Einblick in die Entstehungsjahre der Türkischen Republik, als das Land seinen Weg aus rückständigen und sehr schwierigen Verhältnissen in eine moderne, demokratische und aufgeklärte Gesellschaft angetreten hatte – wie die Autorin selbst sagt, wie Phönix aus der Asche. Durch die menschliche Dimension - den Erlebnissen einer jungen Frau, die trotz ihrer deutschen Herkunft, sich für die Türkei als Heimat entschieden hatte - werden sowohl ihre persönlichen Beweggründe als auch die politischen Hintergründe nachvollziehbar. So leistet die Autorin einen sehr wichtigen Beitrag im Prozess des Kennenlernens eines Landes, das sich Europa zugehörig fühlt.
LESEPROBE: Warum schreibt jemand seine Memoiren? Ein solches Unterfangen kann viele Gründe haben: man kann Zeuge historischer Ereignisse sein, einen früh verlorenen nahen Verwandten den Kindern bekannt machen, ein auf eigenständigen Prinzipen basierendes Persönlichkeitsmodell darlegen, die Sehnsüchte und Wünsche, Werte und Hoffnungen einer Ära dokumentieren oder aber einen harten Kampf ums Überleben schildern.
Mich selbst haben eine Reihe Umstände dazu veranlasst, meine Erinnerungen niederzuschreiben. Der wichtigste Grund war, meinem Sohn, der wie ich, seinen Vater schon im zehnten Lebensjahr verloren hatte, von seinem Vater zu berichten, den Familiennamen, den er trägt, mit Sinn zu füllen und ihm die Verantwortung, zu der dieser Name verpflichtet, nahe zu bringen. Der zweite Grund war, aufzuzeigen, warum ich das Land, auf dessen Boden ich zwar nicht geboren wurde, doch welches das Heimatland meines Vaters war, als meine eigene Heimat mir ausgesucht hatte. Schließlich, um von meiner Identitätssuche als intellektuelle Frau zu berichten.
Natürlich gibt es im Leben unzählige, unerwartete und geheimnisvolle Momente. Mir hat das Leben die Möglichkeit eingeräumt, mein Land und meine Sprache, meine Identität als Staatsbürgerin selbst zu wählen. Als ich in sehr jungen Jahren meine diesbezügliche Entscheidung traf, hatten mich weniger die Umstände als vielmehr meine Ideale und Hoffnungen, die ich mir in meiner Vorstellung ausgemalt hatte, genährt. Laut Psychologen ist das Alter um die Fünfzehn jene Phase, in der die Persönlichkeit ihre „formative Entfaltung“ erfährt. Ich hatte in diesem Alter mit meiner Mutter und einer älteren Schwester in Budapest gelebt. Meine wichtigste Sprache war damals Deutsch, daneben sprach ich Französisch, Englisch und Ungarisch. Die Jahre meiner früheren Kindheit, die ich in Istanbul verbracht hatte, die Spuren meiner Erinnerungen und meiner Beobachtungen hatten in meinem Bewusstsein ein Bild der Türkei geprägt. Die Türkei, die ich mir unter diesen Umständen ausgemalt hatte, war jenes Land, das in der damaligen ausländischen Presse in Artikeln unter Titeln wie „Die Neue Türkei“, „Die wieder auferstehende Türkei“ oder „Die von Atatürk erschaffene Türkei“ geschildert wurde. Wer die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen nicht erlebt hatte, weiß nicht, warum sich die damalige Türkei, die sich aus den Kulturen Europas wie ein Phönix aus der Asche auferstanden war, so stark von ihrer heutigen Gestalt unterschied. Die Türkei hatte damals eine Reihe ihr aufgenötigte internationale Verträge zurückgewiesen, statt dessen leistete sie Widerstand, sogar um den Preis ihrer Unabhängigkeit, riss den Vorhang mittelalterlicher Rückständigkeit auf und setzte als einziges Land eine ganze Reihe radikaler Reformen erfolgreich durch. Tatsächlich, warum hatte man damals die Türkei nur so voller Sehnsucht und Begehr, aber auch voller Neid beobachtet?