Die Türkei von den späten 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis heute: Der erste Putsch 1960, der zweite 1971, der dritte 1980. Dreimal Machtübernahme der Militärs und nun eine ungewisse Zukunft nach dem jüngsten Versuch 2016 – das ist der politische Hintergrund, vor dem sich Dünyas Leben zwischen der Türkei, dem Land, in dem sie geboren ist, und Deutschland, dem Land, in das sie immer wieder kommt, abspielt.
Dünya ist in einem liberalen Haushalt in Istanbul aufgewachsen. Das Au-pair-Mädchen Brigitte erteilt ihr den ersten Deutschunterricht. In der Deutschen Schule wird sie von strammen deutschen Lehrern unterrichtet. Exportierte Auslaufmodelle, nachhaltig vom „Nazi-Geist“ geprägt. Ihr Vater, Baba, hat seinerzeit in Deutschland studiert und die ersten Anzeichen allen Übels nicht vergessen. Baba schwebt als Universitätsprofessor stets in höheren geistigen Sphären. Anne, die Mutter, ausgebildete Pianistin, ist Hausfrau, Gastgeberin, Klavierbegleiterin. Zu Hause tummeln sich Intellektuelle, Gleichgesinnte, Gestrandete. Vor dem Hitler-Regime Geflüchtete, die an der Uni arbeiten. Aber auch ehemalige Nazi-Anhänger, die nach dem Krieg in Istanbul Unterschlupf fanden.
Der Putsch von 1960 verändert alles. Dünya muss nicht mehr an die Schule, Baba darf nicht mehr in die Uni. Das Angebot der Putschisten, seine Kollegen zu bespitzeln, um wieder unterrichten zu dürfen, lehnt er ab. 1961 geht die Familie gleichzeitig mit der ersten Welle der Arbeitsmigranten nach Deutschland. Baba wird an der Uni Tübingen Gastprofessor. Dünya lernt das Land und seine Menschen kennen, unter anderem den Unterschied zwischen der türkischen und deutschen Geselligkeit. Sie mag ihre neuen Lehrer. Sie wird erster Sopran im Kirchenchor, verknallt sich in den Pfarrer und singt mit ihm im himmlischen Duett. Die Idylle hat dann ein Ende. Baba darf wieder in Istanbul arbeiten, Anne zieht es in die Heimat. Dünya wird aber immer wieder nach Deutschland zurückkehren.
1972, ein Jahr nach dem zweiten Putsch, geht sie als Studentin nach Berlin. Begeistert taucht sie in die Welt des Theaters und der Musik und jobbt als Lehrerin für Migrantenkinder in Kreuzberg. Sie leidet an den Schicksalen ihrer Schützlinge, die oft nach streng konservativen Mustern erzogen werden. Dünya, die immer wieder mit Vorstellungen über das unterdrückte muslimische Frauenbild konfrontiert wird, die aber von ihrem Vater weder geschlagen noch zwangsverheiratet wurde, vermisst bei vielen Eltern ihrer Schüler die Bereitschaft zur Integration. Nach Abschluss ihres Studiums geht sie in die Türkei zurück. Sie beginnt an der Universität zu unterrichten.
Der dritte Putsch 1980 macht das Leben an der Uni zur Hölle. Jetzt kümmert sie sich um die Kinder jener Familien, die aus den anatolischen Dörfern in die Vororte Istanbuls ziehen. Die mittlerweile etablierte Theaterwissenschafterin Dünya träumt von Deutschland, aus dem viele Arbeitsmigranten wieder in die Türkei zurückkehren. Sie folgt dem Angebot einer deutschen Uni, um Migrantenkinder in türkischer Literatur unterrichten.
Heute, nach vielen in beiden Ländern, der Türkei und Deutschland, verbrachten Jahren registriert Dünya die Glorifizierung eines neuen Sendungsbewusstseins der Anhänger des Regimes in der Türkei, der Deutschtürken mit stolzem osmanischen Migrationshintergrund. – Kinder begleiten seit jeher Dünyas Leben. Ihre Geschichten erzählen die Geschichte der Migration. Und sie gehören zu Dünyas eigener Geschichte der Wanderschaft.
Zehra İpşiroğlu verknüpft die Geschichte ihrer Protagonistin mit den Berichten der Migrant*innen der siebziger Jahre und derer Kinder von heute. Das Motiv der Migration zieht sich auf mehreren Zeitebenen durch das Stück. Über einer bedrohten Gegenwart schwebt der Putschversuch des Jahres 2016 mit seinen Folgen.
Wie stellt sich die europaweite Krise der Demokratie aus deutsch-türkischer Perspektive dar?
Die Türkei von den späten 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts bis heute: Der erste Putsch 1960, der zweite 1971, der dritte 1980. Dreimal Machtübernahme der Militärs und nun eine ungewisse Zukunft nach dem jüngsten Versuch 2016 – das ist der politische Hintergrund, vor dem sich Dünyas Leben zwischen der Türkei, dem Land, in dem sie geboren ist, und Deutschland, dem Land, in das sie immer wieder kommt, abspielt.
Dünya ist in einem liberalen Haushalt in Istanbul aufgewachsen. Das Au-pair-Mädchen Brigitte erteilt ihr den ersten Deutschunterricht. In der Deutschen Schule wird sie von strammen deutschen Lehrern unterrichtet. Exportierte Auslaufmodelle, nachhaltig vom „Nazi-Geist“ geprägt. Ihr Vater, Baba, hat seinerzeit in Deutschland studiert und die ersten Anzeichen allen Übels nicht vergessen. Baba schwebt als Universitätsprofessor stets in höheren geistigen Sphären. Anne, die Mutter, ausgebildete Pianistin, ist Hausfrau, Gastgeberin, Klavierbegleiterin. Zu Hause tummeln sich Intellektuelle, Gleichgesinnte, Gestrandete. Vor dem Hitler-Regime Geflüchtete, die an der Uni arbeiten. Aber auch ehemalige Nazi-Anhänger, die nach dem Krieg in Istanbul Unterschlupf fanden.
Der Putsch von 1960 verändert alles. Dünya muss nicht mehr an die Schule, Baba darf nicht mehr in die Uni. Das Angebot der Putschisten, seine Kollegen zu bespitzeln, um wieder unterrichten zu dürfen, lehnt er ab. 1961 geht die Familie gleichzeitig mit der ersten Welle der Arbeitsmigranten nach Deutschland. Baba wird an der Uni Tübingen Gastprofessor. Dünya lernt das Land und seine Menschen kennen, unter anderem den Unterschied zwischen der türkischen und deutschen Geselligkeit. Sie mag ihre neuen Lehrer. Sie wird erster Sopran im Kirchenchor, verknallt sich in den Pfarrer und singt mit ihm im himmlischen Duett. Die Idylle hat dann ein Ende. Baba darf wieder in Istanbul arbeiten, Anne zieht es in die Heimat. Dünya wird aber immer wieder nach Deutschland zurückkehren.
1972, ein Jahr nach dem zweiten Putsch, geht sie als Studentin nach Berlin. Begeistert taucht sie in die Welt des Theaters und der Musik und jobbt als Lehrerin für Migrantenkinder in Kreuzberg. Sie leidet an den Schicksalen ihrer Schützlinge, die oft nach streng konservativen Mustern erzogen werden. Dünya, die immer wieder mit Vorstellungen über das unterdrückte muslimische Frauenbild konfrontiert wird, die aber von ihrem Vater weder geschlagen noch zwangsverheiratet wurde, vermisst bei vielen Eltern ihrer Schüler die Bereitschaft zur Integration. Nach Abschluss ihres Studiums geht sie in die Türkei zurück. Sie beginnt an der Universität zu unterrichten.
Der dritte Putsch 1980 macht das Leben an der Uni zur Hölle. Jetzt kümmert sie sich um die Kinder jener Familien, die aus den anatolischen Dörfern in die Vororte Istanbuls ziehen. Die mittlerweile etablierte Theaterwissenschafterin Dünya träumt von Deutschland, aus dem viele Arbeitsmigranten wieder in die Türkei zurückkehren. Sie folgt dem Angebot einer deutschen Uni, um Migrantenkinder in türkischer Literatur unterrichten.
Heute, nach vielen in beiden Ländern, der Türkei und Deutschland, verbrachten Jahren registriert Dünya die Glorifizierung eines neuen Sendungsbewusstseins der Anhänger des Regimes in der Türkei, der Deutschtürken mit stolzem osmanischen Migrationshintergrund. – Kinder begleiten seit jeher Dünyas Leben. Ihre Geschichten erzählen die Geschichte der Migration. Und sie gehören zu Dünyas eigener Geschichte der Wanderschaft.
Zehra İpşiroğlu verknüpft die Geschichte ihrer Protagonistin mit den Berichten der Migrant*innen der siebziger Jahre und derer Kinder von heute. Das Motiv der Migration zieht sich auf mehreren Zeitebenen durch das Stück. Über einer bedrohten Gegenwart schwebt der Putschversuch des Jahres 2016 mit seinen Folgen.
Wie stellt sich die europaweite Krise der Demokratie aus deutsch-türkischer Perspektive dar?